logo Netzwerkafrika
Manche Klassen sind auf ein Viertel der Schülerzahl geschrumpft, weil Jugendliche und ihre empörten Eltern die Einführung der Scharia mit Lehrplanwechsel und unannehmbaren Verhaltensregeln nicht dulden wollten. Schulen im Süden haben Tausende aufgenommen, und das Ministerium in Bamako hat die Examen verschoben und extra Klassen eingerichtet, um den Geflohenen Anschluss zu geben. Die Verurteilung eines jungen Paares in Timbuktu zu je 100 Peitschenhieben wegen eines unehelichen Kindes hat die Menschen aufgeschreckt.
Noch Ende letzten Monats, nach der gemeinsamen Eroberung des Nordens, wollten Tuareg-Rebellen und islamische Ansar Dine Kämpfer einen Scharia-Staat gründen. Nun bekämpfen sie sich heftig, besonders in Kidal, deren Bewohner sich gegen die Scharia wehren. Auch die Tuareg tendieren zu einem unabhängigen weltlichen Staat. In Timbuktu soll eine dritte bewaffnete Gruppe entstanden sein, die die Islamisten verjagen will. Nach zwei gescheiterten Treffen über Mali hat ECOWAS die UNO um logistische und finanzielle Hilfe gebeten, um militärisch eingreifen zu können. Ihr Vorsitzender drängt auf sofortigen Einhalt des islamistischen Terrors, und der nigrische Präsident berichtet über Trainingslager in Gao im nördlichen Mali, wo Dschihadisten aus Afghanistan und Pakistan nigerianische Boko Haram Kämpfer ausbilden.
Tuareg-Rebellen und die vermutlich mit AQIM fusionierte Islamistengruppe Ansar Dine haben in der Wüstenstadt Gao ein Abkommen unterzeichnet, dass die Azawad Region ein islamistischer Staat werden soll. Die Tuareg hatten vor zwei Monaten währen des Putsches in Bamako die Chance genutzt und den Norden erobert. Die malische Übergangsregierung nennt den Plan „absurd“; Nachbarländer reagieren besorgt, und ECOWAS will Soldaten nach Mali schicken, um den Norden zurück zu gewinnen. Doch die verworrene Lage im Süden macht dies fast unmöglich. So wächst die Gefahr, dass sich der „Terrorgürtel“ auf die ganze Sahel-Zone ausdehnen könnte.
Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat zwischen dem Putschanführer Capt. Sanogo und der Interim-Regierung von Djouncounda Traore ein Abkommen vermittelt. Traore hat ein Jahr, um Neuwahlen zu organisieren. Sanogo bekommt für seine drei-wöchige "Regierungsführung" das Gehalt eines ehemaligen Staatspräsidenten. Bei gewalttätigen Demonstrationen von Anhängern Sanogos gegen das Abkommen wurde Interim-Präsident Traore verwundet. In Vorbereitung ist eine 3000-Mann starke ECOWAS Truppe, die der malischen Regierung helfen soll, den von Tuareg, Al-Kaida und islamistischen Gruppen kontrollierten Norden, zurückzuerobern.  
Das berichtet der Sekretär der Bischofskonferenz in Bamako. Die politische Lage, besonders im Norden, bleibt prekär, und die Sorge um die humanitäre Versorgung der Bevölkerung wächst. 160,000 haben seit April Zuflucht in Nachbarstaaten, wie Burkina Faso, gesucht. Die UNO warnt vor den andauernden schweren Menschenrechtsverletzungen. Dazu sind 3,5 Mio. Menschen von der sich verschlimmernden Hungerkrise bedroht.
Mitglieder der Splittergruppe von Al Qaida und die Islamistengruppe Ansar Dine haben ein berühmtes Mausoleum in Timbuktu angezündet und drohen mit weiterer Zerstörung. Die zwischen dem 11. Und 12. Jahrhundert von Tuaregs gegründete Stadt Timbuktu ist ein geistiges Zentrum des Islam und wurde ein wohlhabender Knotenpunkt des Karawanenhandels. Die Bewohner und UNESCO sind empört über die sinnlose Zerstörung des Kulturerbes.
Die Events überstürzten sich: die Invasion der Tuareg Rebellen und anderer islamistischen Gruppen im Norden und der Putsch im Süden in der Hauptstadt Bamako. Nun kämpfen Anhänger des gestürzten Touré gegen den Coup Führer Sanogo. Das westafrikanische sanfte und demokratisch geprägte Musterland droht, ein zweites Somalia zu werden. Solange das Militär sich gegenseitig bekämpft, können die Tuaregs ihre Position im ihrem neudeklarierten Staat Azawad stärken. Eine ECOWAS Intervention lehnt Sanogo aus Furcht vor Machtverlust ab. So driften Norden und Süden weiter auseinander. Die westafrikanischen Führer befürchten, dass die von Trockenheit, Waffen-und Drogenschmuggel sowie Entführungen geplagte Region ein sicherer Hafen werden könnte, wo Extremisten ihre Angriffe auf umliegende Länder planen.
Die 40-jährige Schweizerin, die nördlich von Timbuktu entführt wurde, ist nach neun Tagen von der Bewegung Ansar Dine freigelassen worden. Eine Bedingung ist, dass sie nicht mehr zurückkehrt.
Hilfswerke sind bemüht, die 233,000 Menschen, die im Norden Malis vor den Tuareg-Rebellen geflüchtet sind, mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen, denn die Flüchtlingsströme verschlechtern auch die Notlage in den angrenzenden Ländern Um eine mögliche Abhängigkeit zu vermeiden, wurden „cash for work“ und „cash for training“ angeboten, in denen Fähigkeit vermittelt werden, die der langfristigen Bekämpfung von Hungersnot dienen.
Ein Anführer der Tuareg-Rebellen, die im Norden einen autonomen Staat ausgerufen hatten, sagte, dass das erste offizielle Treffen mit einer Regierungsdelegation von Bamako positiv verlaufen sei. Er beteuerte auch, dass seine Organisation alles Möglich tun wolle, um eine in Timbuktu entführte Schweizerin zu befreien. Da auch Kämpfer von Aquim und Ansar Dine im Norden aktiv sind, ist die Lage dort undurchschaubar.
­