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Eine Gruppe bewaffneter Jugendlicher von Burkina Faso ist in im nord-malischen Gao eingetroffen, um mit vielen andern Rekruten eine religiöse und militärische Ausbildung anzutreten. In knapp zwei Tagen kamen 200 Jugendliche, entweder überzeugt, bezahlt oder mit großen Versprechen gelockt. Täglich kommen mehr dazu, um die mit al-Qaida verwandte Islamisten Gruppe MUJAO zu unterstützen. Diese hat inzwischen alle Tuaregs von den wichtigen Städten Gao, Kidal und Timbuktu verjagt und tyrannisiert die Bevölkerung. Über die Pläne, den Norden anzugreifen, spotten sie nur.
Das Parlament in Bamako hat sich für einen Militäreinsatz gegen die Islamisten ausgesprochen; die Bevölkerung, darunter viele Tuareg, demonstriert für die Befreiung des Nordens von den radikalen Kräften. Ihr Versuch, den kompromisslosen Islam einzuführen, die Zerstörung der Heiligtümer in Timbuktu und die Verminung der strategisch wichtigen Stadt Gao – wo jetzt noch die Cholera ausgebrochen ist – machen die Menschen bereit zu kämpfen. Die Regierung und die UNO jedoch zögern.
Islamistische Extremisten setzen ihr Zerstörungswerk fort. Am Wochenende fielen sieben der 16 Mausoleen in Timbuktu ihrer Wut zum Opfer. Jetzt haben sie noch die „heilige Tür“ der Sidi-Yahya-Moschee aus dem 15. Jahrhundert mit Spitzhacken eingeschlagen. Es ist nicht nur eine sinnlose Verwüstung von Weltkulturerbe Stätten, sondern auch ein Verbrechen an der Identität der Menschen dort, die diese Heiligtümer nutzten, denn ihr Islam hat sich über die Jahrhunderte mit afrikanischen Praktiken durchsetzt. Ban Ki Moon rief zum Einhalt der Zerstörung und zu Verhandlungen auf.
Manche Klassen sind auf ein Viertel der Schülerzahl geschrumpft, weil Jugendliche und ihre empörten Eltern die Einführung der Scharia mit Lehrplanwechsel und unannehmbaren Verhaltensregeln nicht dulden wollten. Schulen im Süden haben Tausende aufgenommen, und das Ministerium in Bamako hat die Examen verschoben und extra Klassen eingerichtet, um den Geflohenen Anschluss zu geben. Die Verurteilung eines jungen Paares in Timbuktu zu je 100 Peitschenhieben wegen eines unehelichen Kindes hat die Menschen aufgeschreckt.
Noch Ende letzten Monats, nach der gemeinsamen Eroberung des Nordens, wollten Tuareg-Rebellen und islamische Ansar Dine Kämpfer einen Scharia-Staat gründen. Nun bekämpfen sie sich heftig, besonders in Kidal, deren Bewohner sich gegen die Scharia wehren. Auch die Tuareg tendieren zu einem unabhängigen weltlichen Staat. In Timbuktu soll eine dritte bewaffnete Gruppe entstanden sein, die die Islamisten verjagen will. Nach zwei gescheiterten Treffen über Mali hat ECOWAS die UNO um logistische und finanzielle Hilfe gebeten, um militärisch eingreifen zu können. Ihr Vorsitzender drängt auf sofortigen Einhalt des islamistischen Terrors, und der nigrische Präsident berichtet über Trainingslager in Gao im nördlichen Mali, wo Dschihadisten aus Afghanistan und Pakistan nigerianische Boko Haram Kämpfer ausbilden.
Tuareg-Rebellen und die vermutlich mit AQIM fusionierte Islamistengruppe Ansar Dine haben in der Wüstenstadt Gao ein Abkommen unterzeichnet, dass die Azawad Region ein islamistischer Staat werden soll. Die Tuareg hatten vor zwei Monaten währen des Putsches in Bamako die Chance genutzt und den Norden erobert. Die malische Übergangsregierung nennt den Plan „absurd“; Nachbarländer reagieren besorgt, und ECOWAS will Soldaten nach Mali schicken, um den Norden zurück zu gewinnen. Doch die verworrene Lage im Süden macht dies fast unmöglich. So wächst die Gefahr, dass sich der „Terrorgürtel“ auf die ganze Sahel-Zone ausdehnen könnte.
Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat zwischen dem Putschanführer Capt. Sanogo und der Interim-Regierung von Djouncounda Traore ein Abkommen vermittelt. Traore hat ein Jahr, um Neuwahlen zu organisieren. Sanogo bekommt für seine drei-wöchige "Regierungsführung" das Gehalt eines ehemaligen Staatspräsidenten. Bei gewalttätigen Demonstrationen von Anhängern Sanogos gegen das Abkommen wurde Interim-Präsident Traore verwundet. In Vorbereitung ist eine 3000-Mann starke ECOWAS Truppe, die der malischen Regierung helfen soll, den von Tuareg, Al-Kaida und islamistischen Gruppen kontrollierten Norden, zurückzuerobern.  
Das berichtet der Sekretär der Bischofskonferenz in Bamako. Die politische Lage, besonders im Norden, bleibt prekär, und die Sorge um die humanitäre Versorgung der Bevölkerung wächst. 160,000 haben seit April Zuflucht in Nachbarstaaten, wie Burkina Faso, gesucht. Die UNO warnt vor den andauernden schweren Menschenrechtsverletzungen. Dazu sind 3,5 Mio. Menschen von der sich verschlimmernden Hungerkrise bedroht.
Mitglieder der Splittergruppe von Al Qaida und die Islamistengruppe Ansar Dine haben ein berühmtes Mausoleum in Timbuktu angezündet und drohen mit weiterer Zerstörung. Die zwischen dem 11. Und 12. Jahrhundert von Tuaregs gegründete Stadt Timbuktu ist ein geistiges Zentrum des Islam und wurde ein wohlhabender Knotenpunkt des Karawanenhandels. Die Bewohner und UNESCO sind empört über die sinnlose Zerstörung des Kulturerbes.
Die Events überstürzten sich: die Invasion der Tuareg Rebellen und anderer islamistischen Gruppen im Norden und der Putsch im Süden in der Hauptstadt Bamako. Nun kämpfen Anhänger des gestürzten Touré gegen den Coup Führer Sanogo. Das westafrikanische sanfte und demokratisch geprägte Musterland droht, ein zweites Somalia zu werden. Solange das Militär sich gegenseitig bekämpft, können die Tuaregs ihre Position im ihrem neudeklarierten Staat Azawad stärken. Eine ECOWAS Intervention lehnt Sanogo aus Furcht vor Machtverlust ab. So driften Norden und Süden weiter auseinander. Die westafrikanischen Führer befürchten, dass die von Trockenheit, Waffen-und Drogenschmuggel sowie Entführungen geplagte Region ein sicherer Hafen werden könnte, wo Extremisten ihre Angriffe auf umliegende Länder planen.
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