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Etwa 50 Islamisten haben gestern den Zugang zur Manouba Universität bei Tunis blockiert, um Studenten den Zugang zu den Fakultäten für Englisch und Französisch zu verwehren. Die bärtigen Männer demonstrierten gegen die liberale Bildung und fordern nach Geschlechtern getrennten Unterricht sowie Aufhebung des Kopftuchverbots an den Universitäten.
Die drei stärksten Parteien haben die Ämter unter sich verteilt. Regierungschef wird Kamadi Jebali von Ennahda, Präsident Moncef Marzouki von CPR, und Mustafa Ben Jaafar wird der Leiter der verfassungsgebenden Versammlung. Diese ist es, die die Ämter bestätigt, die Verfassung neu schreibt und Wahlen ansetzt. Alle drei waren Gegner von Ben Ali und haben Verfolgung, Gefängnis und Exil erduldet.
Die beiden stärksten Parteien in der letzten Wahl, Ennahda und CPR, haben sich auf Moncef Marzuki als Interim Präsident geeinigt. Der Veteran Menschenrechtler Aktivist soll dem Kongress der Republik vorstehen, während die neue Verfassung geschrieben wird. In 1994 musste er vier Monate hinter Gitter, weil er gewagt hatte, sich als Gegenkandidat des inzwischen gestürzten Ben Ali hat aufstellen lassen.
Die CERNA Bischöfe in den Ländern des Maghreb sind zu einer dreitägigen Sitzung in Tunis zusammen gekommen. Es geht um die Zukunft der christlichen Minderheiten in den Ländern des „arabischen Frühlings“, die in der Zeit des Umbruchs Hilfe brauchen. Weitere Themen sind die Flüchtlingspastoral und Caritas.
Erste amtliche Ergebnisse deuten auf einen Wahlsieg der lange verbotenen islamischen Ennahda – Bewegung hin, die in den 70er Jahren gegründete Gruppe war unter dem ersten Präsidenten und seinem Nachfolger Zine el Abidine Ben Ali massiv unterdrückt worden. Die Partei vergleicht sich mit der AKP-Partei des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und nicht am Iran oder an Saudi-Arabien. Sie hat nun schon Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Die 217 gewählten Abgeordneten sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und den Präsidenten der Übergangsregierung bestimmen. Internationale Beobachter bescheinigten der Wahl, einen fairen und transparenten Verlauf.
Wenn am 23 Oktober das Ursprungsland des „arabischen Frühlings“ zur ersten freien Wahl geht, hat die Islamistenpartei al-Nahda gute Chancen. Der aus dem Londoner Exil zurückgekehrte Anführer Ghannouchi gibt sich als moderat und demokratisch, setzt sich aber ein für die Rückkehr zu den „arabisch-islamischen Wurzeln“. Die säkularen Tunesier fürchten, dass die Revolution ihr Ziel verfehlt.
Im Vorfeld der für den 23. Oktober angesetzten Wahlen, den ersten seit dem Sturz Ben Alis, wehrt sich die Polizei mit Tränengas gegen islamistische Demonstranten, die sie mit Steinen, Stöcken und Messern bedrohen. Es sind die schlimmsten religiös motivierten Ausschreitungen in Tunis seit Jahren. Die radikalen Islamisten befürchten, dass die neue Verfassung ihren Vorstellungen nicht genügend Rechnung tragen wird, doch könnten die Zusammenstöße den säkularen Kräften mehr Stimmen einbringen. Im Ursprungsland des „arabischen Frühlings“ wachsen die Spannungen.
Der Außenminister hat erklärt, dass die Regierung bereit ist, am 23. Oktober die ersten Wahlen seit dem Sturz des langjährigen Diktators Ben Ali abzuhalten. Um den Wählern zu helfen, sich durch den Dschungel von etwa 100 Parteien zu arbeiten und Orientierung zu finden, hat eine Gruppe Deutsch-Tunesier ein Internet Programm entwickelt. „TuniVote“, ist die tunesische Version von „Wahl-O-Mat“. Bei vier Millionen Internetnutzern (von einer Gesamtbevölkerung von zehn Millionen) gibt es Erfolgschancen für die Online Hilfestellung.
Auf der Insel kam es am Mittwoch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Inselbewohnern. Tunesische Flüchtlinge hatten das Aufnahmelager angezündet, was die Schläge und Beschimpfungen auslöste. Dis Bischöfe von Tunis und Agrigent befinden sich zurzeit auf der Insel, besorgt um die Lage. Mit der Ankunft von 48,000 Flüchtlingen, allein in diesem Jahr, waren die Insulaner ohne Hilfe vom Festland total überfordert.
Der ehemalige Sicherheitschef und Kommandeur der gefürchteten Präsidentengarde unter Ban Ali wurde von der Anklage freigesprochen, der Familie Ben Ali mit gefälschten Pässen zur Flucht verholfen zu haben, muss sich aber noch weiteren Anklagen stellen. 23 andere Mitglieder der Familie Ben Ali's wurden verurteilt. Ben Ali und seine Frau war schon früher wegen Korruption in Abwesenheit verurteilt worden. Saudi Arabien hat bisher die Auslieferung der Familie an die tunesische Justiz verweigert.  
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