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55 Menschen, die Hälfte aus Eritrea, gingen gegen Ende Juni in Libyen an Bord eines Schlauchbootes, um nach Europa zu kommen. 15 Tage später wurde der einzige Überlebende von der tunesischen Küstenwache gerettet, an einen Kanister geklammert und schon stark dehydriert. Sein Bericht: sie hatten die italienische Küste fast erreicht, als ein starker Wind sie wieder aufs offene Meer hinaustrieb. Dem Schlauchboot ging die Luft aus und sie hatten weder Sprit noch Wasser.
Die Regierung hat über acht Ballungsgebiete um Tunis Ausgangssperre verhängt, nachdem bei Kämpfen zwischen Islamisten und Polizei über 100 Menschen verletzt wurden. Die Randalierer, darunter Salafisten, griffen öffentliche Gebäude an, weil sie sich über eine Kunstaustellung in Tunis als Muslime beleidigt fühlten. Zur Zeit des Umsturzes im letzten Jahr spielten Islamisten kaum eine Rolle, doch inzwischen ist Religion ein umstrittenes Thema in Politik und Gesellschaft.
Auf seinem Staatsbesuch in Marokko versucht Tunesiens neuer Präsident Moncef Marzouki, den Jahre alten Traum von einer Maghreb Union wiederzubeleben. Die Arab-Maghreb-Union (UMA) wurde 1989 als Handelspakt zwischen Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen und Mauretanien gegründet, ist aber seit 1994 wegen dem Westsahara-Konflikt und mangelndem Interesse inaktiv. Nun soll es in Tunis einen regionalen Gipfel geben, wo es neben Wirtschaftsfragen auch um Zusammenarbeit, Bewegungsfreiheit und Sicherheit geht.
Kurz vor dem ersten Jahrestag der Revolution, die Ben Ali stürzte, wurde das Land von einer Reihe Selbstverbrennungen erschüttert. Ein Versuch aus sechs endete tödlich. Mit einer Selbstverbrennung hatten die Massenproteste im Dezember 2010 begonnen. Jetzt klagen viele Tunesier, dass es ihnen wirtschaftlich schlechter geht als zuvor.
Etwa 50 Islamisten haben gestern den Zugang zur Manouba Universität bei Tunis blockiert, um Studenten den Zugang zu den Fakultäten für Englisch und Französisch zu verwehren. Die bärtigen Männer demonstrierten gegen die liberale Bildung und fordern nach Geschlechtern getrennten Unterricht sowie Aufhebung des Kopftuchverbots an den Universitäten.
Die drei stärksten Parteien haben die Ämter unter sich verteilt. Regierungschef wird Kamadi Jebali von Ennahda, Präsident Moncef Marzouki von CPR, und Mustafa Ben Jaafar wird der Leiter der verfassungsgebenden Versammlung. Diese ist es, die die Ämter bestätigt, die Verfassung neu schreibt und Wahlen ansetzt. Alle drei waren Gegner von Ben Ali und haben Verfolgung, Gefängnis und Exil erduldet.
Die beiden stärksten Parteien in der letzten Wahl, Ennahda und CPR, haben sich auf Moncef Marzuki als Interim Präsident geeinigt. Der Veteran Menschenrechtler Aktivist soll dem Kongress der Republik vorstehen, während die neue Verfassung geschrieben wird. In 1994 musste er vier Monate hinter Gitter, weil er gewagt hatte, sich als Gegenkandidat des inzwischen gestürzten Ben Ali hat aufstellen lassen.
Die CERNA Bischöfe in den Ländern des Maghreb sind zu einer dreitägigen Sitzung in Tunis zusammen gekommen. Es geht um die Zukunft der christlichen Minderheiten in den Ländern des „arabischen Frühlings“, die in der Zeit des Umbruchs Hilfe brauchen. Weitere Themen sind die Flüchtlingspastoral und Caritas.
Erste amtliche Ergebnisse deuten auf einen Wahlsieg der lange verbotenen islamischen Ennahda – Bewegung hin, die in den 70er Jahren gegründete Gruppe war unter dem ersten Präsidenten und seinem Nachfolger Zine el Abidine Ben Ali massiv unterdrückt worden. Die Partei vergleicht sich mit der AKP-Partei des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und nicht am Iran oder an Saudi-Arabien. Sie hat nun schon Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Die 217 gewählten Abgeordneten sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und den Präsidenten der Übergangsregierung bestimmen. Internationale Beobachter bescheinigten der Wahl, einen fairen und transparenten Verlauf.
Wenn am 23 Oktober das Ursprungsland des „arabischen Frühlings“ zur ersten freien Wahl geht, hat die Islamistenpartei al-Nahda gute Chancen. Der aus dem Londoner Exil zurückgekehrte Anführer Ghannouchi gibt sich als moderat und demokratisch, setzt sich aber ein für die Rückkehr zu den „arabisch-islamischen Wurzeln“. Die säkularen Tunesier fürchten, dass die Revolution ihr Ziel verfehlt.
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