Nach einer langen Geschichte von Pharaonen, Königen, fremden Statthaltern und Generälen hat Ägypten in Mohammed Mursi den ersten zivilen Politiker an der Spitze des Staates. Er wolle der Präsident „aller Ägypter“ sein, für nationale Einheit arbeiten und internationale Verträge einhalten. Den Vorwurf, Beziehungen zu Iran und Israel ändern zu wollen, dementierte er vehement. Man wirft ihm „Mangel an Charisma“ vor und verpasste ihm den Spitznamen „Ersatzreifen“, doch die Ägypter erwarten viel von ihm, obwohl seine Kompetenzen durch den Militärrat massiv beschnitten sind. Inzwischen stellt Mursi sein Kabinett zusammen, in dem auch Christen und Frauen vertreten sein sollen. Die Amtseinführung ist für Samstag geplant.
Die öffentlichen Ergebnisse der Stichwahl sind noch nicht veröffentlicht, doch beide Kandidaten sehen sich als Sieger, und der Militärrat hat nach Auflösung des Parlaments Kontrolle über Gesetzgebung und Finanzen übernommen. Die Muslimbrüder rufen zu landesweiten Protesten auf, während die Generäle die aufgebrachte Bevölkerung versichern, dass der neugewählte Präsident seine Befugnisse erhalten und gemeinsam mit dem Militärrat Entscheidungen treffen würde.
Gerade zwei Tage vor der Stichwahl für das Präsidentenamt löste das Verfassungsgericht das erst kürzlich gewählte Parlament auf, weil ein Drittel der Sitze ungültig besetzt seien. Besonders betroffen ist die Muslimbruderschaft, die von einem „vollwertigen Staatsstreich“ des Militärrats spricht. Die Menschen sind empört und versammeln sich wieder auf dem Tahrir Platz. Die geplante Machtübergabe an eine demokratisch gewählte zivile Regierung ist noch nicht in Sicht.
Die Freude der Ägypter über das Urteil „lebenslänglich“ für Mubarak und seinen früheren Innenminister el-Adli schlug in Wut um, als sie vom Freispruch der Polizisten hörten, die für die Blutbäder in der Revolution verantwortlich waren. Der Militärrat hoffte, mit der Entscheidung die Straßen zu beruhigen, aber das Volk fühlt sich betrogen. Tausende Demonstranten versammeln sich wieder auf dem Tahrir Platz. Unter ihnen sollen die zwei Kontrahenten der Stichwahl in zwei Wochen sein: der Muslimbruder Mursi und Shafik, letzter Premier von Mubarak.
Wütende Demonstranten griffen das Hauptquartier von Ahmed Schafik an und legten Feuer. Der zweitplazierte Schafik, Ministerpräsident unter Mubarak, soll sich Mitte Juni in einer Stichwahl dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, stellen, der nur ein Prozent mehr Stimmen erhielt. Auf dem Tahrir-Platz versammelten sich Anhänger der verschiedenen Lager, um sich über unfaire Wahlpraktiken zu beschweren.
15 Monate nach dem Fall von Hosni Mubarak können 50 Millionen Bürger zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus zwölf Kandidaten ihren Präsidenten frei wählen. Erwartet wird, dass kein Kandidat die absolute Mehrheit erhält und die endgültige Entscheidung in einer Stichwahl am 16. Juni fallen wird.
Ägypten hat die nächtliche Ausgangssperre um das Verteidigungsministerium ausgedehnt, um eine Wiederholung der blutigen Krawalle gerade drei Wochen vor der Präsidentenwahl zu vermeiden. Hunderte Demonstranten wurden wegen Angriff auf Sicherheitskräfte in Gewahrsam genommen. Wer die Unruhestifter sind, ist noch nicht klar. Die Ägypter sollen einen Nachfolger für Mubarak wählen.
Auf der Sinai Halbinsel werden unzählige Flüchtlinge, aus Eritrea und Äthiopien festgehalten bis Lösegeld für sie bezahlt wird. Sie liegen in Ketten und werden misshandelt. Kommt keine Hilfe, sind sie dem Tod geweiht. Ihre Organe können entnommen und verkauft werden. Trotz eigener Probleme sollte Ägypten die Lage im Sinai unter Kontrolle bekommen und Seelsorgern Zugang zu den Asylbewerbern gewähren.
Die Wahlkommission hat aus 23 potenziellen Bewerbern um das Präsidentenamt zehn Kandidaten von der Liste gestrichen. Darunter sind die drei aussichtsreichsten Kandidaten: der frühere Geheimdienstchef von Mubarak, Omar Suleiman, Khairat al-Shater von den Muslimbrüdern und der radikalislamische Salafist Hasem Abu Ismail. Sie dürfen binnen 48 Stunden Einspruch erheben. Die Wahl soll am 23. Mai stattfinden; eine Stichwahl wenn nötig am 16. Juni.
Seit dem Tod des 88-jährigen Kirchenoberhauptes drängen sich tausende Menschen in die Abbasiya-Kathedrale in Kairo. Am Dienstag soll die Beisetzung im Wüstenkloster St. Bishoy im nordägyptischen Wadi Natrun stattfinden. Papst Shenouda III. leitete die koptische Kirche seit 1971, laut Tradition als der 117 Nachfolger des Evangelisten Markus. Er war bei Christen und Muslimen geschätzt als Brückenbauer und Anwalt des Friedens. Auch Papst Benedikt und die Deutsche Bischofskonferenz kondolierten. Die letzten Jahre waren durch wachsende Übergriffe auf die christliche Minderheit gezeichnet, und viele Kopten verließen das Land, seit 1952 fast zwei Millionen. Auch diesen galt seine Sorge.