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Präsident Mohammed Mursi vereidigte das von Ministerpräsident Hisham Quandil gebildete Kabinett. Das Militär kontrolliert weiterhin die Schlüsselministerien: Verteidigung, Außenpolitik und Finanzen. Die meisten Ressorts werden von Fachleuten geleitet. Die Muslimbrüder stellen nur vier Minister und konzentrieren sich auf Erziehung und Jugend. Eine Koptin übernimmt das Wissenschaftsministerium. Die Salafisten sind nicht an der Regierung beteiligt.  
Präsident Mursi hat den patriotischen, unabhängigen bisherigen Minister für Wasserangelegenheiten, Hisham Qandil, beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Es wird erwartet, dass dieser das aktuelle Szenario meistern kann und mit Technokraten, Christen und Frauen ein funktionsfähiges Kabinett zusammenstellt, um Mursis „Programm der Renaissance“ umzusetzen.
Die US-Außenministerin hat den Unmut der Ägypter zu spüren bekommen, als verärgerte Gruppen ihren Konvoi mit Schuhen, Tomaten und Wasserflaschen bewarfen. Sie sei nicht beleidigt, sagte Clinton, denn sie sehe darin die Nervosität der Bürger über die unsichere Zukunft, aber auch ein Stück neugewonnene Freiheit. Die verschwendeten Nahrungsmittel täten ihr leid. Es gäbe noch viel Arbeit, bis der Konflikt zwischen Militärrat, Präsidenten und Verfassungsgericht gelöst sei.
Eine Woche nach Amtsübernahme hat Präsident Mursi das im vorigen Monat vom Militärrat aufgelöste Parlament wieder eingesetzt. Der verärgerte Militärrat kam sofort zu einer Krisensitzung zusammen. Nun muss das Verfassungsgericht die Gültigkeit von Mursis Dekret prüfen. Wer in Ägypten hat die Macht?
Nach einer langen Geschichte von Pharaonen, Königen, fremden Statthaltern und Generälen hat Ägypten in Mohammed Mursi den ersten zivilen Politiker an der Spitze des Staates. Er wolle der Präsident „aller Ägypter“ sein, für nationale Einheit arbeiten und internationale Verträge einhalten. Den Vorwurf, Beziehungen zu Iran und Israel ändern zu wollen, dementierte er vehement. Man wirft ihm „Mangel an Charisma“ vor und verpasste ihm den Spitznamen „Ersatzreifen“, doch die Ägypter erwarten viel von ihm, obwohl seine Kompetenzen durch den Militärrat massiv beschnitten sind. Inzwischen stellt Mursi sein Kabinett zusammen, in dem auch Christen und Frauen vertreten sein sollen. Die Amtseinführung ist für Samstag geplant.
Die öffentlichen Ergebnisse der Stichwahl sind noch nicht veröffentlicht, doch beide Kandidaten sehen sich als Sieger, und der Militärrat hat nach Auflösung des Parlaments Kontrolle über Gesetzgebung und Finanzen übernommen. Die Muslimbrüder rufen zu landesweiten Protesten auf, während die Generäle die aufgebrachte Bevölkerung versichern, dass der neugewählte Präsident seine Befugnisse erhalten und gemeinsam mit dem Militärrat Entscheidungen treffen würde.
Gerade zwei Tage vor der Stichwahl für das Präsidentenamt löste das Verfassungsgericht das erst kürzlich gewählte Parlament auf, weil ein Drittel der Sitze ungültig besetzt seien. Besonders betroffen ist die Muslimbruderschaft, die von einem „vollwertigen Staatsstreich“ des Militärrats spricht. Die Menschen sind empört und versammeln sich wieder auf dem Tahrir Platz. Die geplante Machtübergabe an eine demokratisch gewählte zivile Regierung ist noch nicht in Sicht.
Die Freude der Ägypter über das Urteil „lebenslänglich“ für Mubarak und seinen früheren Innenminister el-Adli schlug in Wut um, als sie vom Freispruch der Polizisten hörten, die für die Blutbäder in der Revolution verantwortlich waren. Der Militärrat hoffte, mit der Entscheidung die Straßen zu beruhigen, aber das Volk fühlt sich betrogen. Tausende Demonstranten versammeln sich wieder auf dem Tahrir Platz. Unter ihnen sollen die zwei Kontrahenten der Stichwahl in zwei Wochen sein: der Muslimbruder Mursi und Shafik, letzter Premier von Mubarak.
Wütende Demonstranten griffen das Hauptquartier von Ahmed Schafik an und legten Feuer. Der zweitplazierte Schafik, Ministerpräsident unter Mubarak, soll sich Mitte Juni in einer Stichwahl dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, stellen, der nur ein Prozent mehr Stimmen erhielt. Auf dem Tahrir-Platz versammelten sich Anhänger der verschiedenen Lager, um sich über unfaire Wahlpraktiken zu beschweren.
15 Monate nach dem Fall von Hosni Mubarak können 50 Millionen Bürger zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus zwölf Kandidaten ihren Präsidenten frei wählen. Erwartet wird, dass kein Kandidat die absolute Mehrheit erhält und die endgültige Entscheidung in einer Stichwahl am 16. Juni fallen wird.  

Zitat

„Wir müssen die Zeit nutzen,
um auf einen radikalen Wandel hinzuarbeiten...

Wir haben in diesen Wochen gelernt,
dass wir auf einem kranken Planeten nicht gesund leben können."

Erklärung des Jesuitenordens in Europa

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